Neulich las ich etwas über Healing Hotels, also heilende Übernachtungsmöglichkeiten im Trulliland Apulien.
Ist das ein neuer Marketing Gag , statt Wellness oder Detox oder vielleicht eine aufgemotzte Rehaklinik? Ich will es ausprobieren. In Apulien ,dort, wo die ulkig geformten Trulli-Häuschen stehen, im südlichsten Teil Italiens.
Und schon die Ankunft lässt erahnen, worum es hier gehen wird.
Beim Betreten des Borgo Egnazia in der Nähe von Fasano umgibt mich eine schummrige Dunkelheit. Weissgetünchte Wände, Kerzen überall , kaum ein Geräusch, Körbe mit Äpfeln und Nüssen.. Wenn ich nicht wüsste, dass dieses Gebäude nur ein paar Jahre auf dem fruchtbaren Boden steht, käme ich mir vor , wie in einem jahrhundertealten hochherrschaftlichen Landhaus.
Das ist auch so gewollt. Der innovative und der Region verbundene Architekt Pino Brescia hat mit jedem kleinsten Detail seine Liebe zu Apulien zum Ausdruck gebracht. Seile an den Wänden symbolisieren die Arbeit der Pferde, metallische Schlüsselbunde den Besitz des Hausherren. Die Zimmer sind trotz dicker Mauern mit allem erdenklichen modernen Luxus ausgestattet. Die sanften Weiss- und Beigetöne lassen sofort allen Anreisetress von mir abfallen. Aber es bleibt kaum Zeit zum Faulenzen und in die Sonne blinzeln, die hier übrigens rund 300 Tage im Jahr scheint.
Mein Programm beginnt mit einer Tanzstunde.
Tanzen heilt vielleicht kein kaputtes Knie, aber macht gute Laune, warum also nicht. Guiseppe spielt auf einer Geige, als ich in den Raum komme. Mit seiner sonoren Stimme singt der junge Mann italienische Volkslieder , lässt mich eine Weile lauschen, bevor er mit mir spricht. Ich soll Pizzica lernen, den alten apulischen Tanz, der noch heute auf Volksfesten getanzt wird. Pizzicare heisst beissen oder stechen und tatsächlich gab es auf dem Land zu früheren Zeiten Taranteln.
Wenn nun ein Mensch von einer Spinne gebissen worden war, so die Überlieferung, dann kamen die Musiker zusammen, man tanzte gemeinsam so lange in immer schnellerem Rhythmus, bis der Gebissene das Gift ausgeschwitzt hatte und hoffentlich geheilt war. Ich schlage auf mein Tambourin und lasse mich mitreissen von den alten Geschichten und dem antreibenden Gesang meines Lehrers. Verschwitzt , ausser Atem, aber ohne Spinnenbiss , beende ich den Tanz- und Traditionsunterricht.
Am Nachmittag ist zum Glück Entspannung dran.
Eine Liebensmassage steht auf dem Programm. Wo bin ich nur hingeraten! Ich lese schnell im Spa-Menü nach, das mir ein inneres Lächeln verspricht und mehr Schönheit nach der fast zweistündigen Behandlung. Na ja , mehr geht wohl nicht.
Und tatsächlich, keine Sportmassage, sondern angenehmes Kneten und das ein oder andere Rückenkitzeln lassen mich den Alltag vergessen und machen Hunger. Wie gut, dass das Borgo Egnazia gleich 6 Restaurants hat, da wird auch das Essen zum abwechslungsreichen Vergnügen.
Beim Gespräch mit dem neuen Küchenchef wird mir dann auch wieder klar, was dieses Haus so anders macht. Es ist die Verbundenheit der Menschen mit ihrem Ort, mit Apulien. Domenico Schingaro ist ein sternengekrönter Koch , der zurückgekommen ist in seine Heimat. Hier will er bald nur noch Produkte aus dem eigenen Garten anbieten. Kleine Anmerkung: der Garten ist riesig, einige Hektar Oliven und Farmland gehören zur Masseria.
Mir empfiehlt er das Blumenkohl-Steak. Es schmeckt unglaublich nach Gemüse und Schinken, ist aber vegetarisch, wie mir „Domingo“, wie ihn alle nennen, versichert. Den rauchigen Geschmack zaubert er über geräucherte Erdnüsse, die er raffiniert zum knackigen Blumenkohl mischt. Das Pistazieneis mit einem Tropfen feinsten Olivenöls aus eigener Herstellung krönt das originelle Mahl. In diesem entspannten Rhythmus, zwischen Aromatherapie und Contact-Workshop, regionalem Essen und vielen Sonnenstunden vergehen die Tage im Borgo Egnazia schneller als gedacht.
Ich bekomme nur einen kleinen Einblick in das grosse Programm
3,5 oder 7 Tage kann man sicher leicht füllen , sich spüren, erleben, tanzen , turnen und sich entspannen.
Schon nach der kurzen Zeit im angenehm ruhigen Ambiente des Hotels fühle ich mich wieder bei mir angekommen und relaxt, erfüllt mit vielen neuen Erkenntnissen über Körper und Geist.
Ach ja, der Golfplatz ist übrigens nur ein paar Schritte entfernt und Tee-Zeiten gibt es nicht. Wer hier Gast ist, kann jederzeit spielen. Heilsam für viele gestresste Golfer-Seelen.